Quelle: Wikipedia.org
Auguste Comte (1798 - 1857), war ein mir bis vor kurzem unbekannter Name und wie es scheint, ist er hinter Größen wie Marx, Weber oder Durkheim eher in Vergessenheit geraten. Dennoch zählt er als ein wichtiger Vordenker der Soziologie, denn ohne ihn gäbe es das Wort ‘Soziologie’ vermutlich gar nicht. Comte hat uns aber nicht nur das Wort Soziologie gegeben, sondern sie auch als eigenständige Wissenschaft verteidigt. Er ging sogar noch weiter und bezeichnete sie als ‘die Königin unter den Wissenschaften’ (Viele der Vordenker (zumindest in den Sozialwissenschaften) sahen ‘ihre’ Wissenschaft stets als das non-plus-ultra an. War wohl ein historischer Trend). In diesem kleinen Essay möchte ich gerne Comte’s Gesetz der drei Stufen (La loi de trois etats) vorstellen, das ich irgendwie faszinierend finde.
Kleine Anmerkung
ich bin selbst nur ein Student und weit davon entfernt ‘allwissend’ zu sein. Ich lese und lerne einfach gerne und möchte dieses gelernte gerne mit anderen teilen, denn ich glaube an die große Bedeutung politischer Bildung in der modernen Gesellschaft. Die in diesem Essay geäußerten Gedanken basieren vollständig auf dem Coursera Kurs “Classical Sociological Thought” und den Werken Comte’s.
Comte erlebte Frankreich in einer Zeit großer Umwälzungen und Veränderungen. Die französische Revolution (1789 - 1799) mag zwar ihren Höhepunkt gehabt haben, aber Stabilität sah anders aus. Nicht selten gab es Straßenschlachten zwischen Revolutionären, denen die Veränderungen nicht weit genug gingen, und Monarchisten oder Konservativen, die zum ancien régime zurückkehren wollten. Auguste Comte, der in dieser Instabilität aufwuchs und lebte, sah den Ursprung dieser strukturellen Krise in der intellektuellen Sphäre. Beginnen wir von Vorne.
Comte war ein Idea-list. Er war davon überzeugt, dass die Existenz einer geordneten Gesellschaft von der Existenz eines allgemein akzeptierten Weltverständnisses (→ Wie die Menschen die Welt wahrnehmen und verstehen bzw. interpretieren) innerhalb der Gesellschaft abhing. Ein Beispiel dafür ist die Lehre der katholische Kirche im Mittelalter, die den Menschen die Welt erklären konnte. Comte war der Meinung, dass dieses homogene Weltverständnis der (französischen) Gesellschaft fehlte, verschiedene Teile der Gesellschaft erklären sich die Welt auf drei verschiedene Arten. Diese Arten beschrieb er in seinem Gesetz der drei Stufen: ‘La loi de trois etats':
Zum einen gibt es diejenigen, die noch der religiösen Weltanschauung anhingen, also große Fragen mit religiösen Doktrinen angingen und sie sich mit Übernatürlichkeit erklärten. Sie befinden sich in der Theologischen Stufe.
Gleichzeitig betrachteten einige bereits die Welt aus einer naturwissenschaftlichen Perspektive. Sie akzeptieren, dass viele der großen Fragen nicht beantwortet werden können und versuchten stattdessen Fragen zu beantworten, die sich durch wissenschaftliche Methoden beantworten ließen. Sie befinden sich in der Positivistischen Stufe
Warum Positivistische Stufe und nicht wissenschaftliche Stufe?
Die Bezeichnung geht auf seine Überzeugung zurück, dass es in der wissenschaftlichen Stufe möglich ist ,durch empirische Evidenz unumstrittene Wahrheiten zu erwerben. Es wird das Zeitalter der positiven Wissenschaften (Mathematik, Physik) eingeleitet.
→ Siehe dazu “Positivismus”
Dazwischen gibt es noch eine Art Übergangsstufe, die Metaphysische Stufe. Die Menschen dieser Stufe geben sich nicht mehr mit der Antwort ‘Übernatürlich’ für unbekannte Dinge zufrieden, möchten aber dennoch eine Antwort auf die großen Fragen haben.
Comte glaubte in die Weiterentwicklung des homo sapiens. Die Menschheit startete also in der theologischen Stufe und entwickelt sich hin zur positivistischen Stufe, als finale Entwicklungsstufe des Menschen. In seiner Zeit war die Gesellschaft demnach in Unruhe, weil eben kein ‘Ideen-Konsens’ existiert. Um dies jetzt mit seiner Aussage zu verbinden, dass dies auf eine Krise der intellektuellen Sphäre zurückzuführen ist, müssen wir uns folgende Frage stellen: Warum befinden sich verschiedene Menschen in verschiedenen Stufen und nicht alle in der Positivistischen Stufe?
Er erklärt sich dies nämlich über eine fehlende Homogenität der Wissenschaftsdisziplinen. Die verschiednen Disziplinen (seiner Zeit) können kein homogenes Weltverständnis (oder Ideenkonstrukt) vermitteln, weil sie sich selbst noch in unterschiedlichen Stufen befinden. Dafür stellt er eine hierarchische Liste der Disziplinen zusammen, abhängig von drei Kriterien:
Komplexitätsniveau
Abhängigkeitsniveau
Spezifizierungsniveau
Mathematik bildet für ihn dabei die Basis aller anderen Disziplinen, ist also die einfachste, unabhängigste und generellste Disziplin. Danach kommen aufsteigend Astronomie, Physik, Chemie, Biologie und die Soziologie. Soziologie, also die Forschung der menschlichen Gesellschaft, ist für ihn dabei die “Königin der Wissenschaften”.
Nun folgt er einer einfachen Logik. Dadurch, dass die Soziologie vollständig abhängig von den anderen Wissenschaften ist und den höchsten Spezialisierungsgrad, die höchste Komplexität aufweist, wird sie als letztes in der positivistischen Stufe ankommen. Also selbst wenn die Mathematik bereits unumstrittene Wahrheiten produziert, können gesellschaftliche Phänomene noch durch die Berufung auf Übernatürliches erklärt werden. Ein Beispiel dafür wäre die Akzeptanz der göttlich gegebenen Legitimität des Herrschers während sich die Gravitationstheorie Newtons bereits durchgesetzt hat.
Erst wenn alle Disziplinen in der positivistischen Stufe angekommen sind, kann intellektuelle Harmonie erreicht werden, denn dann sprechen sie alle dieselbe Sprache. Dies führt wiederum dazu, dass die Menschen alle in der ‘modernen Wissenschaft’ ausgebildet werden, wodurch sich das wissenschaftliche Weltverständnis universell durchsetzen wird. Ist die gesamte Gesellschaft in der positivistischen Stufe angelangt, kommt sie zurück zur gesellschaftlichen Harmonie.
Dies ist ‘La loi de trois etats’ von Auguste Comte, der es sich zur Lebensaufgabe gemacht hatte, eine Homogenität der Wissenschaft zu erreichen. In seinen Werken befinden sich noch viele weitere spannende gesellschaftstheoretische Ansätze. Zudem entwirft der späte Comte noch eine ganz eigene Religion, dies würde hier aber den Rahmen spreng
en. Falls dies jemanden interessiert, findet er hier meine Kursnotizen zu Comte (Notion-page) und ich verweise, wie bereits in der Einleitung, auf den wirklich gelungenen Coursera Kurs der Universität Amsterdam.
Noah Mund